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Die richtige Belichtungszeit

Die Belichtungszeit ist – neben Blende und ISO-Empfindlichkeit – einer der Hauptfaktoren für die korrekte Belichtung eines Bildes und kann dafür sorgen, scharfe Aufnahmen auch in der Bewegung zu erzielen. Wer wirklich gut fotografieren will, der sollte genau wissen, was es mit der Belichtungszeit auf sich hat und welche Wechselwirkungen sich mit anderen Einstellungen ergeben.

Belichtungszeit und Kamera

Beim klassischen Film ist die Belichtungszeit jene Zeit, in der der Verschluss den Filmstreifen freigibt und belichtet. Daher wird die Belichtungszeit auch häufig Verschlusszeit genannt. In dieser Zeit wird der Film belichtet. Das funktioniert heute bei digitalen Kameras ähnlich. Hier wird der Sensor belichtet und dessen Signal in ein digitales Bild umgerechnet. Klassische Belichtungszeiten unter 1 Sekunde sind 1/2, 1/4, 1/8, 1/15, 1/30, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500, 1/1000, 1/2000, 1/8000 Sekunden.

Vereinfacht ausgedrückt: Eine längere Belichtungszeit ergibt ein helleres Bild, eine kürzere Belichtungszeit ein dunkleres. Dabei kommt aber das Thema “Bewegung” ins Spiel: Bei kurzen Verschlusszeiten kommen Bewegungen – seien es Kamerawackler oder Bewegungen des Motivs – weniger oder nicht zum Tragen.
Kurze Belichtungszeiten, die sich daher gut für Sportfotografie eignen, liegen im Bereich von 1/500 bis 1/8000 Sekunde. Auch für scharfe Portraits sollte die Verschlusszeit nicht länger als 1/100 Sekunde betragen.

Nachtaufnahmen und Langzeitbelichtungen vom Stativ können mehrere Sekunden oder sogar Minuten betragen. In solchen Fällen empfiehlt sich übrigens ein Fern- oder Funkauslöser, um nicht gleich den Anfang der Aufnahme zu verwackeln. Diese Techniken habe ich bei meiner Bilderreiche “City Lights” angewendet.

Belichtungszeit im Zusammenspiel mit weiteren Kameraeinstellungen

Wer sich das Menü von Kompakt-, System- oder Spiegelreflexkamera ansieht, stellt fest, dass er nicht nur die Belichtungszeit, sonder auch die Blende und die ISO-Empfindlichkeit einstellen kann. Während Belichtungszeit und Blende das Bild mechanisch heller und dunkler machen, wird durch die ISO-Einstellung die Lichtempfindlichkeit des Sensors angepasst. So wird auf unterschiedliche Arten das Motiv im Bereich zwischen absolutem Schwarz und Weiß verschoben. In der Analogfotografie wird die ISO-Empfindlichkeit übrigens durch den eingelegten Film vorgegeben, weshalb man diesen Kameras keine ISO-Einstellmöglichkeit findet.

Die einzelnen Funktionen haben jedoch unterschiedliche “Nebenwirkungen”. Bei höherer ISO-Empfindlichkeit muss z.B. mit stärkerem Rauschen gerechnet werden, eine Variation der Blende verändert die Schärfentiefe. Blende und Belichtungszeit funktionieren – bei gleichbleibender ISO – nur im Zusammenspiel für die Einstellung der perfekten Belichtung: Eine kürzere Verschlusszeit erfordert folglich eine weiter geöffnete Blende. Das Bild verwackelt dann zwar nicht mehr so schnell, aber dafür nimmt die Schärfentiefe ab.

Was bedeutet das für die Einstellungsmöglichkeiten an der Kamera? Im manuellen Modus können beide Werte händisch eingestellt werden. Im Modus “AV” wird die Blende eingestellt, und die Kamera passt automatisch die Belichtungszeit an. Dieser Modus ist übrigens sehr empfehlenswert, weil man dadurch die Kontrolle über die Schärfentiefe hat. Im Modus “TV” wählt man die Belichtungszeit und die Kamera stellt die gewünschte Verschlusszeit ein. Denkbare Anwendungsbeispiele sind Kinder-, Tier- und Sportfotografie sowie Langzeitbelichtungen in Dämmerung und Dunkelheit, also Situationen, in denen sich entweder das Motiv unvorhersehbar bewegen kann und man deshalb die Verschlusszeit kurz halten muss oder aufgrund der Lichtverhältnisse eine eine besonders lange Belichtungszeit gewünscht ist.

Möhren, die ins Wasser fallen - kurze Belichtungszeit
Das Bild aus der Galerie “Produkte und Publikationen” mit den Möhren ist ein gutes Beispiel für Aufnahmen mit sehr kurzen Verschlusszeiten.

Nicht bei jeder Kamera kann man Blende und Belichtungszeit manuell steuern. Manchmal existiert sogar keine variable Blende. Die Objektive bei Smartphones können z.B. in der Regel nicht abgeblendet werden. Hier werden lediglich Belichtungszeiten und ISO miteinander zur korrekten Belichtung automatisch kombiniert. Aber auch hier gibt es inzwischen zahlreiche Optionen, die die Einstellungen größerer Kameras technisch simulieren.

Ein Sonderfall ist eine Aufnahmetechnik, die inzwischen fast alle Digitalkameras bieten: beim Filmen. Aufgrund der benötigten Bildrate kann die Belichtungszeit nicht beliebig verlängert werden. Als Faustregel bei normalem Licht gilt, dass die Verschlusszeit die Hälfte der Bildrate betragen soll, um eine fürs menschliche Auge natürliche Bewegungsunschärfe zu erzeugen: In Europa filmen wir mit 24 oder 25 Bildern/Sekunde – die Verschlusszeit sollte also für einen angenehmen Eindruck ungefähr 1/50 Sekunde betragen.

Die Belichtungszeit als gestalterische Komponente

Zweifellos ist es wichtig zu wissen, wie man die Kamera so einstellt, dass ein normal belichtetes Bild ohne unerwünschte Bewegungsunschärfe und mit gezielt gesetzter Schärfentiefe entsteht. Doch wer das beherrscht, kann sich einen Schritt weiter wagen und die einzelnen Einstellungen für bewusste “Regelbrüche” verwenden. Mit anderen Worten: Man wird vom Handwerker zum Künstler.

Ein Beispiel hierfür sind lange Verschlusszeiten. Hiermit lassen sich normale Aufnahmen von Architektur, Stadt- und Naturpanoramen oder dem Sternenhimmel, also allen Szenarien, in denen das Motiv (fast) unbeweglich ist realisieren. Die Kamera sollte jedoch unbedingt auf einem Stativ befestigt sein. Falls mal kein Stativ zur Hand ist, kann man die Kamera auch behelfsmäßig irgendwo abstellen oder anlehnen. So entstehen schöne Aufnahmen mit hoher Schärfentiefe bei wenig Licht oder eben auch regelrechte Kunstwerke, in denen z.B. fließender Verkehr zum Lichtermeer oder Wasser zu einem weißen Schleier wird. Einer der bewussten Regelbrüche führte zu dem folgenden Bild.

Bäume in der Sonne - lange Belichtungszeit
Dieses Bild aus meiner Galerie “Kunst & Akt” habe ich bei hoher Belichtungszeit absichtlich entlang der Baumstämme verwackelt: Es entstand ein interessanter Effekt. Das Bild wurde nur geringfügig hinsichtlich Kontrast und Sättigung nachbearbeitet. Photoshop kam nicht zum Einsatz.

Kurze Belichtungszeiten hingegen garantieren gestochen scharfe Bilder. Auch dann, wenn aus der Hand spontan abdrückt wird oder schnelle Bewegungen festgehalten werden sollen. So kann man z.B. den Flügelschlag eines Vogels oder spontane Momente festhalten. Auch in interessanten Nischen kann man sich damit herumtreiben, z.B. der Tropfenfotografie.

Beide Extreme der Verschlusszeit führen meist zu Bildern, die wirken, als wäre das Motiv der Zeit entrückt. Es lohnt sich daher, mit verschiedenen Belichtungszeiten zu experimentieren, denn die Verschlusszeit ist mehr als nur die Einstellung, mit der die Helligkeit des Bildes eingestellt wird.

Richtig belichtet und künstlerisch wertvoll

Mit der gezielten Einstellung der Belichtungszeit kann man besser fotografieren und künstlerische Effekte gezielt setzen – dabei gibt es kein Patentrezept. In diesem kurzen Ratgeber war zu erkennen, was unterschiedliche Belichtungszeiten bewirken. Wer diese beherrscht, hat sich ein wichtiges Element für gute und kreative Fotografie erschlossen. Viel Spaß beim Experimentieren und raus aus dem Automatikmodus!

Häufig gestellte Fragen

Welche Belichtungszeit sollte bei Fotos aus der Hand gewählt werden?

Zur Beantwortung der Frage muss man wissen, dass dies brennweitenabhängig ist. Je größer die Brennweite (z.B. Teleobjektiv) umso schneller verwackelt das Bild. Eine grobe Faustregel besagt, dass bei Vollformat-Kameras die Brennweite etwa dem Kehrwert der Belichtungszeit in Sekunden betragen sollte. Beispiel: Eine Brennweite von 200mm setzt die Freihandgrenze etwa auf 1/200 Sekunde. Da dieser Wert in der Regel nicht zur Verfügung steht, nimmt man den nächst kürzeren, d.h. 1/250 Sekunde. Bei Systemkameras und Kameras im Crop-Format (in der Regel Spiegelreflexkameras im Einstiegssegment) muss dies mit dem Faktor 1,6 korrigiert werden. Damit ergäbe sich in dem Beispiel 1,6 x 200 = 320. D.h. hier wäre etwa die Freihandgrenze beim nächsten verfügbaren Wert 1/500 Sekunde.

Welche Belichtungszeit ist für Astrofotografie sinnvoll?

Auch die Antwort zu dieser Frage ist abhängig von der verwendeten Kamera (Crop oder Vollformat) sowie der eingestellten Brennweite, denn durch die Erdrotation stehen die Sterne nicht still. Ab 20 bis 30 Sekunden kann bereits Unschärfe auftreten. Berechnung:

  • Crop-Sensoren: 300/Brennweite
  • Vollfomat-Sensoren: 500/Brennweite

Damit ergibt sich z.B. für einen Vollformat-Sensor bei 50mm Brennweite eine Grenze von nur 10 Sekunden. Blende und ISO müssen also für eine hinreichende Belichtung sorgen.

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